Gerd Werner

»Man kann das ja auch
ganz anders machen.«

»Wir realisieren Visionen« – das steht auf der Website der Werner Spedition aus Appenweier. Spricht man mit Geschäftsführer Gerd Werner, wird schnell klar, dass das nicht treffender sein könnte. Als echtes Familienunternehmen stellt sich das Team seit über 60 Jahren den ständig verändernden Herausforderungen und hat sich dabei in nur zwei Generationen vom Baustoff-Transporteur zum hochmodernen Logistik-4.0-Anbieter entwickelt. Sich fit machen für die Zukunft gehört hier zum Alltag. Welche Hürden bei der Transformation des eigenen Geschäftsmodells zu nehmen sind und wie wichtig Fortschrittsdenken ist, davon spricht Gerd Werner im Interview.

 

IM INTERVIEW: GERD WERNER
Geschäftsführer der Werner-Spedition Transport & Logistik GmbH
und Aufsichtsratsmitglied der Gestalterbank

Herr Werner, Sie gehören im Familienunternehmen zur zweiten Generation. War es für Sie von Anfang an klar, dass Sie einmal in die Fußstapfen Ihres Vaters treten würden?

Wissen Sie, bei vielen Betrieben hat alles mal ganz klein angefangen in einer Garage. Bei uns war es auf dem Bauernhof mit einem Traktor und einem Anhänger. Dort hat mein Vater 1954 das Unternehmen gegründet. Über die Jahre wuchsen sowohl der Betrieb als auch die Familie fleißig: Wir waren sechs Kinder – vier Jungs, zwei Mädchen – und jeder von uns wollte irgendwie am Unternehmensziel und an der Gemeinschaft, die mein Vater ja ganz stark geprägt hat, mitarbeiten. Das war uns allen wichtig und deshalb war früh abzusehen, dass auch ich einmal folgen werde. Bevor es aber soweit war, habe ich erst einmal andere Erfahrungen gemacht: Früher war das ja auch noch so, dass gesagt wurde: »Du musst erst mal was lernen und schaffen – dann kannst du dich an den Schreibtisch setzen.« Ich habe dann gleich zwei Ausbildungen gemacht: zum KFZ-Elektriker und zum Speditionskaufmann. Danach habe ich zwei Jahre Praktika in verschiedenen Bereichen durchlaufen. Bei diesen ersten Stationen konnte ich ein bisschen schnuppern, dann folgte das Studium zum Betriebswirt. Alles wertvolle Erfahrungen, die meinen Horizont erweitert haben und dank derer ich sicher Dinge heute anders mache als andere. Heute führen wir das Unternehmen zu dritt – mein Bruder Dieter, mein Neffe Patrick und ich. Mit Patrick ist also schon die dritte Generation dabei und jeder bringt eigene, neue Ideen und Visionen ein. Mittlerweile ist auch meine Nichte Lisa für das Qualitätsmanagement und für Projektaufgaben im Unternehmen tätig.

„Früher ist ein Trucker »nur« von A
nach B gefahren – heute muss er
bei uns ganz andere Dinge tun.“

 

Wie teilt sich die Unternehmensführung denn auf bei Ihnen? Gibt es eine klare Rollenverteilung?

Ja – das geht auch nicht anders. Jeder hat sein Aufgabenfeld. Ich übernehme die Finanzen, die Lagerlogistik und das Controlling, mein Bruder Dieter das Personal sowie den Vertrieb und sein Sohn Patrick den Fuhrpark. Es gehört viel Disziplin dazu, dass keiner dem anderen im Brei herumrührt. Das klappt nicht immer und manchmal rappelt es auch – aber auch das ist nicht negativ zu sehen. Wichtig ist: Im Großen und Ganzen sind wir uns einig und haben die Ziele des Familienbetriebs als größtes Interesse. Das ist unser Ansporn: Wir wollen den Kunden immer wieder Antworten bieten können für ihre wechselnden Anforderungen. Die Kunden verändern sich ja und auch deren Kunden. Für uns gilt es einfach, immer sehr nah dran zu sein, um auf neue Gegebenheiten reagieren zu können. Was heute ein Warenlager ist, kann morgen etwas ganz anderes sein – beispielsweise ein Internet-Shop oder eine Montagestation für Baugruppen.

Zu Gründerzeiten war es die Baubranche – heute sind es zahlreiche Branchen mit unterschiedlichsten Transportarten. Wie haben Sie das Wachstum erreicht und wie gehen Sie mit den zwangsläufigen Veränderungen im Tagesgeschäft um?

Das ist richtig – mein Vater ist in der Baubranche zur Nachkriegszeit groß geworden. Da ging es hauptsächlich darum, Baustoffe zu transportieren. In den 1970er und 1980er Jahren haben wir eher das klassische Ladungsgeschäft übernommen, was jedoch ein reiner Verdrängungswettbewerb war und auch heute durch den aktuellen Fahrermangel nur noch mit einem hohen Aufwand zu realisieren ist. Wir haben uns dann zusammengesetzt und nach Nischen geschaut: Wo gibt es gute Wertschöpfungsmöglichkeiten? Das sind für uns neben den Standard-Transporten vor allem Silo-, Agrar- und Lebensmitteltransporte mit Zertifizierungen wie ISO9001, GMP und ISF Food Logistik sowie Schwertransporte oder Staplertransporte, bei denen man von der Lagerung über die Kommissionierung bis zum Transport alles abdeckt. Die komplette Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungskette als Full-House-Lösung – sozusagen »alles aus einer Hand« – ist genau das, was viele wollen und wir können. Unsere Kundennähe erleichtert es uns dabei, den Anforderungen gerecht zu werden. Nichtsdestotrotz haben wir aber auch Kunden, die seit über 40 Jahren bei uns sind – quasi Erbstücke unseres Vaters – mit denen wir mitgewachsen sind und denen wir heute moderne Logistik-4.0-Lösungen anbieten. Ein Beispiel: der Kunde, der mit Werkstatt-Ausrüstungen wie Kompressoren, Hebebühnen und Reifenfüll- oder Achsmessgeräten handelt. Ein Beispiel hinsichtlich Logistik 4.0! Ein Kunde handelt mit unterschiedlichen Produkten. Diese Produkte kommen von verschiedenen Lieferanten zu uns ins Lager. Unser EDV-System ist webbasiert mit dem Kundensystem verknüpft und an einen Web-Shop angebunden; dort können seine Kunden dann direkt bestellen – inklusive Wunschliefertermin oder sonstige Prämissen bei der Anlieferung. Der Abruf landet digital in unserem System und erzeugt automatisch einen Auftrag. Das vernetzt uns direkt mit unserem Kunden und ermöglicht uns, so zu liefern, wie er es will. Vor allem dahingehend haben sich unsere Anforderungen innerhalb weniger Jahre natürlich stark verändert – vom Baustoff- Transport zu digitalisierten Logistik-Lösungen. Hier kommt es uns auch zugute, dass wir in der Familie und der wahnsinnig guten Belegschaft unterschiedliche Kompetenzen abdecken können, die dafür notwendig sind. Diesen Gedanken, dass und wie wir uns verändern müssen, haben wir unserem Team früh mitgeteilt. Wir haben sie mitgenommen, was entscheidend war und ist, da das Personal ja auch mehr leistet als früher. Das hat uns bei unserer massiven Transformation viel geholfen: Früher ist ein Trucker »nur« von A nach B gefahren – heute muss er bei uns ganz andere Dinge tun. Er leistet mehr, verdient – zu Recht – mehr und ist wie jeder andere Mitarbeitende ein Grund dafür, dass wir uns von anderen abheben können.

„Ich habe mir auch schon mal ein paar Tage freigenommen, habe mir einen LKW reserviert und bin dann mit meinem Sohn nach Italien in die Toskana gefahren, um dort ein Rohteil von Bugatti abzuholen.“

 

Dafür brauchen Sie ja echte Fachkräfte, mit denen Sie das Logistik-4.0-Thema stemmen können – wie finden Sie die beim aktuellen Fachkräftemangel?

Das ist wirklich schwierig, denn: Wer keine Leute hat, der macht das Geschäft nicht. Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach Verstärkung. Was uns auf jeden Fall schon einmal hilft, ist die Treue unserer Mitarbeitenden – wer bei uns anfängt, der bleibt in der Regel auch. Bei der Suche hilft, dass ich gut vernetzt bin und ich mich regelmäßig z. B. austausche mit alten Studienkollegen sowie mit in einer Gruppe des Logistikverbandes. Eine tolle Sache: Unternehmer – alle aus dem Mittelstand – treffen sich zweimal im Jahr und sprechen über betriebliche Belange, Neuerungen oder Strategien. Hier pflegen wir ein sehr gutes Verhältnis von gleichgesinnten Partnern. Ja, fast genossenschaftlich wie die Volksbanken: Gemeinsam schafft man mehr. Das sind Verbindungen zwischen Familienunternehmen, die es am Ende des Tages ausmachen. Untereinander weiß man, dass man sich öffnen muss, um etwas zu erfahren und etwas geben muss, um etwas zu bekommen – auch wenn es um Personalfragen geht. Wir versuchen natürlich weiter, über gute Hochschulen – und da gibt es echte »Logistikschmieden« – an Leute zu kommen. Erst letztes Jahr haben wir zwei Betriebswirtschafts-Studierende von uns überzeugen können. Heute sind wir über 100 Mitarbeitende – als ich 1998 angefangen habe, hatten wir 10 LKW-Fahrer und ich war im Büro allein mit Organisation, Verwaltung und Disposition beschäftigt. Stück für Stück ist unser Team gewachsen – anders hätten wir unseren Transformationsprozess auch nicht meistern können. Leute mit einer guten Ausbildung ist das A und O im Unternehmen. Ein großer Glückstreffer ist, dass mit Patrick Werner schon der erste Schritt in die 3. Generation gelungen ist.

Welche Wachstumsziele verfolgen Sie und wie flexibel reagieren Sie auf den aktuellen Markt?

 In der familiären Gemeinschaft haben wir uns immer gesagt, dass das Geld im Unternehmen bleiben soll und somit in die Aufgaben unserer Kunden zu investieren ist. Vor einigen Jahren haben wir auch deshalb eine Immobilienfirma gegründet, die unter anderem die Lagerhallen verwaltet – allein in Appenweier haben wir über 25.000 qm Lagerfläche, die aktuell noch erweitert wird. Aktuell mieten wir in Offenburg Lagerfläche dazu bis unsere Hallen, die sich in der Bauphase befinden, fertig sind.

Wie arbeiten Sie (hierbei) mit der Volksbank eG – Die Gestalterbank zusammen und was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Ich muss sagen, die »Gestalterbank« war von der Stunde null für uns jederzeit ein sehr, sehr wertvoller Partner. Bei solchen großen Investitionen geht es gerade auch um eine gute langfristige Partnerschaft, um Vertrauen und letztendlich um die Bereitschaft, mutige Schritte mitzugehen. Das geht mit der »Gestalterbank« und dabei können wir auch alle branchenspezifischen Dinge auf Augenhöhe besprechen – beispielsweise Anschaffungspreise, Abgas- Normen, steigende Energiepreise, Fuhrpark-Restwerte und vieles mehr. Da gibt es viele Variablen und Unsicherheiten: Ohne eine gute, vertrauensvolle Beziehung aller handelnden Personen würde das nicht funktionieren und seit Jahrzehnten so erfolgreich sein. Die gute Beziehung besteht vielleicht auch deshalb, weil wir gar nicht so verschieden sind: Wie die Gestalterbank müssen wir ständig Geschäftsprozesse neu bewerten. Banken haben sich verändert, unsere Kunden haben sich verändert und auch wir verändern uns ständig: Vor 15 Jahren waren wir noch stark in der Automobilindustrie unterwegs – mit einem Umsatzanteil von 45 Prozent. Dann kam der Knall der Wirtschaftskrise 2008 und da hat es mal ordentlich gerappelt. Das sollte uns nicht noch mal passieren und deshalb haben wir unsere Denkweise verändert: weg vom reinen Blick auf die Rendite, hin zu einer breiteren Aufstellung. Wir haben Nischen gesucht und uns spezialisiert. Heute haben wir über 800 Kunden aus unterschiedlichen Regionen und Branchen. Auch das wurde erst möglich durch die gute Partnerschaft und das Vertrauen der Bank in uns.

Gibt es heute noch eine Branche, die den Hauptteil Ihres Kundensegments einnimmt?

 Wissen Sie – Automotive bedienen wir zwar immer noch, aber nur noch zu einem kleinen Umsatzanteil. Neben Automotiv machen einen größeren Teil Silo- und Lebensmitteltransporte aus, wo wir derzeit mit 21 Fahrzeugen unterwegs sind. Außerdem bedienen wir weitere Branchen wie Papier, Lebensmittel, Print, Maschinen oder Baustoffe. Auch hier war ein hohes Investment notwendig, da das Equipment teuer ist, Fahrer speziell geschult sein müssen und eine ständig Rezertifizierung auch nach IFS Pflicht ist, wenn man in der Branche einen Namen haben will – den haben wir mittlerweile und fahren für absolute Top-Kunden. Einen Beitrag dazu leistet sicher auch, dass wir Wert legen auf ein sauberes Erscheinungsbild – da fängt der Unterschied zu anderen an und auch dafür haben wir viel investiert: In Appenweier haben wir eine eigene Waschhalle – das haben nur ganz wenige Speditionen.

Stichwort »Green Logistics«: Wie wichtig sind Gas-/ Elektro-LKWs für Sie?

 Mit diesen Themen beschäftigen wir uns intensiv. Zwar haben wir aktuell auch einen Gas-LKW laufen, aber der ist noch in der Testphase. Mercedes und Scania – unsere Fuhrpark-Marken – verfolgen eher die Wasserstoff-Technologie und diese wird meines Erachtens auch langfristig Fuß fassen. Der Nahverkehr wird für uns zunächst elektrisch sein. Dafür bauen wir bereits die notwendige Infrastruktur auf – zum Beispiel eine Trafostation beim neuen Hallenprojekt. In solchen Dingen denken wir immer schon an morgen und übermorgen, weil wir auch überlegen müssen, was für eine Welt wir unseren Kindern hinterlassen. Wichtig ist, dass auch die Infrastruktur im Land stimmt, sonst können wir den Fuhrpark nicht umstellen.

Kinder sind ein gutes Stichwort: Gibt es etwas, das auch in Ihnen immer wieder die »kindliche Leidenschaft für LKWs« weckt?

 *lacht* Tatsächlich ja: Ich habe mir auch schon mal ein paar Tage freigenommen, habe mir einen LKW reserviert und bin dann mit meinem Sohn nach Italien in die Toskana gefahren, um dort ein Rohteil von Bugatti abzuholen. Auch mein Vater hat mich damals ganz oft mitgenommen. Das war schon etwas Besonderes und ist es noch heute: Ich freue mich, dass ich noch nicht einen Tag gehabt habe, an dem ich keine Lust hatte auf meine Arbeit – sie ist letztlich viel mehr: Sie ist meine Leidenschaft.

Die Freude ist Ihnen direkt anzusehen. Wie meistern Sie und Ihr Unternehmen die Herausforderungen beim Gestalten der Zukunft?

Wir verfolgen vor allem nachhaltig unsere Unternehmensziele: bewusst investieren, die Transformation des Alltagsgeschäfts vorantreiben und die nächste Generation sowie die Belegschaft dabei mitnehmen. So gesehen war schon unser Vater ein Zukunftsgestalter, mein Bruder und ich sind welche und die dritte Generation ist ja auch schon mittendrin und arbeitet an unseren Unternehmensvisionen mit. Unsere tollen Mitarbeitenden tragen ebenfalls alle dazu bei – auch sie würde ich als Zukunftsgestalter bezeichnen. Ganz große Themen sind nach wie vor die Digitalisierung und die Anbindung an die Kundenbedarfe. Ebenso wichtig sind das Netzwerken und ein reger Austausch mit anderen Unternehmen sowie mit der »Gestalterbank«. Dies hilft nicht nur bei Personalfragen, sondern auch in Sachen Zukunfts-Business. Mein Mandat als Aufsichtsratsmitglied ist ebenfalls eine ganz wichtige Säule für mich: So verstehe ich besser, wie eine Bank funktioniert, was alles dahintersteckt, wie die Abläufe und Risiken sind und wie andere Unternehmer – beispielsweise aus dem Aufsichtsrat – Problemstellungen der Zukunft angehen.

Als Sie ins Unternehmen eingestiegen sind: Hatten Sie da Träume und Visionen und haben sich die mittlerweile erfüllt? Welche Visionen haben Sie noch?

Ich bin ja als kleiner Junge in einem Familienbetrieb aufgewachsen. Wir waren immer als eine Truppe unterwegs – das war sicher auch nicht immer einfach. Aber letztendlich ist mein persönlicher Ansporn nach wie vor, gemeinsam mit meinem Team für die Kunden das Beste zu geben und nur die Dinge zu tun, die nachhaltig sind und Spaß machen. Ich finde es spannend, über Prozesse nachzudenken und zu hinterfragen, was Sinn macht und was nicht. Man macht doch auch mal Dinge, die man »halt schon immer so macht« – und merkt dann irgendwann: »Wie blöd war man denn?« Man kann das ja auch ganz anders und besser machen – und plötzlich verändert sich etwas und wird ganz groß.

Man spürt förmlich die Kraft, die freigesetzt wird, wenn man seine Visionen verfolgt und umsetzt. Herr Werner, vielen Dank für das inspirierende Gespräch.