Thinkable Studio GmbH

„Jetzt nur noch kurz die Welt retten“:
Wie Produktdesigner und Geschäftsinhaber Jörg Schlieffers die Zukunft gestaltet – und warum die Volksbank eG – Die Gestalterbank hierfür den Weg ebnen konnte. 

New York, Oxford, Offenburg. Jörg Schlieffers ist ein Mann von Welt. Ein Weltenbummler, wie er sich selbst lächelnd beschreibt. Der gebürtige Norddeutsche hat für seine Karriere als Produktdesigner einen besonderen Weg zurückgelegt. Dabei begann alles der Liebe folgend in den USA, New York. Aus der Liebschaft wurde eine Ehe, die nun auf stolze 30 Jahre blickt. Ebenso erfolgreich ist heute auch die Karriere des studierten Produktdesigners, der dank des Vertrauens der Volksbank eG – Die Gestalterbank mit seinem eigenen Unternehmen „Thinkable Studio GmbH“ im Jahr 2015 Fuß in Deutschland fassen konnte. Sein Heimatland, in dem er zuvor noch nie gearbeitet hatte. Im Interview gibt er einen Einblick in die Höhen und Hürden im Leben eines Designers. „Aber von den Höhen gab es glücklicherweise mehr.“

 

Herr Schlieffers, Sie sind seit über 25 Jahren als Produktdesigner tätig. In Ihrer Branche eine Besonderheit – viele wechseln den Beruf oder die Branche nochmals. Warum Sie nicht?

Ich habe die letzten 30 Jahre eigentlich keinen Beruf gehabt. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und das macht mir dermaßen Spaß, dass ich mit Leidenschaft dabeigeblieben bin.

Von Kindesbeinen an war ich ein Tüftler und hab gerne gebastelt. Als ich als Produktdesigner angefangen hab, hat man die Renderings noch von Hand gemacht. Da hat man mal eben zwei Wochen lang für Fujitsu einen Computer aus Schaum gekratzt. Am Ende der Modellbauphase kamen Leute aus Japan, dann hat man mit denen noch für einen Monat zusammengearbeitet. Es war im Design ein anderes Arbeiten als heute.

Als ich dann in die USA gegangen bin, fing der digitale Wandel an. Ich hatte einen kleinen Job in einer Designkanzlei in New York, bevor ich mein Studium beendete. Dort haben wir die digitalen Anfänge erlebt, die ersten 3D-Programme. Die Sparte, auf die ich mich spezialisiert hab, ist das Produktdesign im reinsten Sinne. Also die Objekte, die uns im täglichen Leben umgeben: von Handys über Laserscanner, Motorräder oder medizinische Geräte. Heute erstellen wir diese Modelle im 3D-Drucker mit verschiedenen Materialien. Wir erschaffen sie quasi aus dem Nichts. Deswegen: Meine Karriere basiert auf Legos – nur, dass ich diese jetzt selber baue. Ich spiele also immer noch.

 

Das heißt, Ihre Karriere begann nicht in Deutschland?

Ja, meine Geschichte ist nicht geradlinig. Ich habe 1992 mein Studium unterbrochen und bin aufgrund einer Liebschaft nach New York gezogen. So hat mich also eine Frau in die USA entführt und die ist jetzt seit 30 Jahren meine Ehefrau. Wir machen bis heute Witze darüber, dass es eine Green-Card-Marriage war. *lacht*

Ich war also blutjung, habe dort meine Karriere aufgebaut, geheiratet, dann kamen die ersten Kinder – und schließlich auch ein Corporate-Job als Designer in einer großen amerikanischen Firma. Die haben Laserscanner entworfen, besser gesagt: sie hatten das weltweite Patent für handgehaltene Laserscanner. Jedes Mal, wenn es in einem Supermarkt „Piep“ macht, haben wir unsere Finger im Spiel gehabt.

Als ich 1996 auf Long Island angefangen habe, hatte die Firma rund 2.600 Angestellte global. In diesen Schmelztiegel in den USA wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes reingeschmissen. Denn anders als in Deutschland arbeitet man sich nicht langsam hoch. Wer schwimmen kann, kriegt interessante Projekte. Also lernte ich schwimmen. Und so haben wir sieben Jahre lang glücklich auf Long Island gelebt … und dann kam 9-11.

 

Ein Ereignis, das ein ganzes Land erschütterte.

Richtig. Wir haben uns daraufhin entschieden, dass es an der Zeit war, wieder nach Europa zurückzugehen. Deswegen habe ich darum gebeten, versetzt zu werden. Die Firma meinte: „Wie wäre es mit England?“

Ich hätte auch nie gedacht, dass ich als ehemaliger Fischkopf von Braunschweig mal über New York irgendwo in England landen würde.

 

Bis dato waren Sie also angestellter Produktdesigner. Was hat Sie dazu bewogen, sich selbstständig zu machen?

Es war ein toller Job, eine tolle Erfahrung. Aber große Firmen haben ja diese Angewohnheit, Leute hin und her zu schaufeln. Ich sollte also wieder zurück in die USA. Deswegen habe ich mich 2005 nach zwei Jahren Aufenthalt in England selbstständig gemacht und „Thinkable Studio“ gegründet.

Angefangen hat es im Wohnzimmer als One-Man-Show. Wahrscheinlich ist das wie die Geschichte vieler Firmengründungen: Man fängt an mit den Leuten, die man kennt, baut sich ein Büro auf, und dann geht es weiter. Das lief über zehn Jahre gut in England. Wir haben uns ein kleines Team aufgebaut – fünf, sechs Leute, so wie heute auch.

Und dann hatten wir so ein Bauchgefühl: „Das Land ändert sich.“ Wir sind kurz vor dem Brexit als Familie und als Business umgezogen. Aus reinem Bauchgefühl – man kann es nicht stark genug betonen. Diese Intuition, die einem sagt, es ist wieder Zeit für einen neuen Aufbruch. Einmal können wir noch.

 

Es ging für Sie zurück nach Deutschland. Warum aber in den Süden anstelle Ihrer Heimat im hohen Norden? Hatten Sie Connections hier in der Region?

Wir sind hier gelandet aus dem einfachen Grund, weil die Infrastruktur für uns perfekt war. Meine älteste Tochter war gerade fertig mit der Schule, mein jüngerer Sohn stand kurz vor dem Abitur. In Straßburg gibt es eine europäische Schule. Also haben wir gesagt, wir ziehen hierher – nur eben auf die deutsche Seite.

Der Umzug nach Deutschland war dabei nicht einfach, denn ich hatte ja praktisch nie in Deutschland gearbeitet. Ich hatte keine Kontakte, habe weder mit deutschen Firmen so richtig zusammengearbeitet, noch hatten wir eine Schufa-Qualität.

Schlussendlich hat alles durch einen glücklichen Zufall geklappt. Denn in England kannte ich jemanden, der einen Berater in Offenburg kannte. Es war ein Unternehmensberater, ein Vermittler, der dann nach zwei Wochen gesagt hat: „Jörg, ich glaube es kaum, aber ich habe hier die Volksbank eG – Die Gestalterbank. Die vertraut euch, die schaut sich eure englischen Bücher an und obwohl ihr hier keine Erfahrung gesammelt habt, würden die euch unterstützen – sowohl als Familie, als auch als Firma.“

Also haben wir unser Haus in England verkauft, hier eines gekauft und mit der Firma offiziell 2016 als GmbH einen Neustart in Offenburg gemacht. Ohne die Unterstützung der Volksbank eG hätten wir das nicht geschafft.  Es war der erste Schritt.

 

Konnten Sie mit „Thinkable Studio“ in Deutschland nahtlos an den Erfolg in England anknüpfen?

Ja, dank der Unterstützung durch die Volksbank eG – Die Gestalterbank und dem Vertrauen, dass wir den Neuanfang auch hier schaffen. Wir haben die richtigen Leute gefunden – ein Designer in meinem Team ist zum Beispiel seit 16 Jahren an meiner Seite und aus England mit rübergezogen.

Wir konnten uns in der Vergangenheit einen gewissen Ruf erarbeiten – das dauert Jahre – und davon zehren wir noch immer. Wir haben heute Kunden, die uns seit Jahrzehnten vertrauen. Das sind globale Kunden, das sind Konzerne wie Siemens und 3M. Aber auch alles vom großen bis zum kleinen Start-up. Wir sind spezialisiert, all deren Märkte zu analysieren und mit unseren Kunden über – in manchen Fällen – viele Entwicklungsjahre hinweg Produkte auf den Markt zu bringen.

Könnte man also sagen, Ihre internationale Erfahrung ist ein Grund für den Erfolg?

In den USA war es so: „Willkommen, hier ist dein Computer, mach mal.“

Und das war eine augenöffnende Erfahrung, denn du wurdest ins kalte Wasser geschmissen. So sind die USA. Und wenn man schwimmt, dann kommt man weiter. Und wir kommen weiter und darüber bin ich sehr happy.

Seit der Gründung von Thinkable machen wir unser Geschäft nur über Word-of-Mouth. Reine Empfehlung. Mit Siemens sind wir auch nur zusammengekommen, weil ein Ex-Ingenieur dorthin gegangen ist und gesagt hat: „Hey, wir haben hier ein neues Projekt, hast du Lust, sende mal deine Daten.“ Und so hat es geklappt, dass wir das Projekt von Siemens Healthineers nun seit sieben Jahren begleiten.

 

Seit sieben Jahren?

So viel kann ich erzählen, dass wir ein komplexes, diagnostisches Produkt entwickeln. Thinkable Studio ist verantwortlich für das komplette Design, die Ergonomie und die Benutzbarkeit. Außerdem entwickeln wir die mechanischen Komponenten im Inneren mit gemeinsam mit dem Team von Siemens. Es gibt Produkte, da sind wir nur an der Oberfläche dabei, da machen wir dann nur eine gewisse Formensprache. Aber in diesem Fall geht es wirklich von A bis Z.

Der Entwicklungsprozess dauert in vielen Fällen Jahre, bis das Produkt in Serienreife auf den Markt kommt. Das war mir als Designstudent auch noch nicht bewusst. Man denkt immer, man macht einen Sketch, dann wird das von irgendjemandem umgesetzt und dann kommt das auf den Markt als tolles Produkt. Aber das sind Blut, Schweiß und manchmal Tränen. Nur die Tränen versuchen wir zu vermeiden.

 

Damit spielen Sie auf Ihre Unternehmensführung an. Sie haben betont, ein kleines Team zu sein. Absicht?

Das ist richtig. Wir wollen keine supergroße Firma werden, das ist zu viel Management. Ich bin ein Hands-on-Typ. Ich bin immer noch involviert im Tagesgeschäft mit den Kunden, aber auch mit dem Design. Wenn ich nur noch managen würde, das wäre langweilig. Meine weise Frau hat mir immer gesagt: „Ich will dich aber auch als Ehemann und Vater haben.“  Wir haben ein Business, das läuft. Wir können unsere Kinder ernähren, aber ich habe meine Kinder auch aufwachsen sehen und eine gewisse Balance im Leben aufrecht erhalten.

Und das Business läuft meiner Meinung nach, weil Gleichberechtigung herrscht. Es gibt keine Hierarchie. Wir arbeiten zusammen als Team und es macht Spaß. Ich sehe meinen Job so: Ich muss mich um die Zahnräder kümmern, damit alles ineinander klickt und das Geld reinkommt. Und ich muss meinen Leuten ermöglichen, so kreativ wie möglich zu sein.

 

Kreativität, die Sie mit den neuesten technischen Möglichkeiten fördern. Sie haben jüngst eine große Investition mit der Volksbank eG – Die Gestalterbank getätigt. Der 3D-Drucker J55.

Ja, das ist das fortschrittlichste Gerät, was es momentan auf dem Markt gibt. Wir haben das große Glück, dass wir das mit Hilfe der Volksbank eG und Frau Merkel erstehen konnten. Frau Merkel hatte vor ein paar Jahren ein Innovationsprogramm für kleine und mittelständische Unternehmen ins Leben gerufen. Als unser Steuerberater meinte „Hey, versuch das mal“, haben wir uns beworben. Das waren dann zwei Nächte harte Arbeit, und dann kam die Zusage für die volle Unterstützung. Die Auflage war zu versuchen, mit dem 3D-Drucker das Business wachsen zu lassen. Aber es hat nicht nur die anvisierten 20 % Wachstum innerhalb von fünf Jahren beschert, sondern es hat innerhalb von zwei Jahren 50 % Wachstum gegeben.

Aber klar: Kunden, wie zum Beispiel Siemens, sehen darin viele Vorteile. Wir sind mit den Daten inhouse, wir schicken nichts mehr zum Zulieferer – wir sind nun in der Lage, unsere Designs sehr, sehr schnell und kostengünstig bei uns zu drucken. Und die Technikfähigkeiten des J55, die sind sagenhaft. Er erlaubt uns, acht Materialien gleichzeitig mit 500.000 Farben zu drucken. Auch kristallklar und hochgradig auflösend.

 

Bei so vielen innovativen Produkten, die Sie im Geschäftsalltag begleiten – kommt da auch einmal das Bedürfnis auf, eigene Ideen zu verwirklichen?

Als Designer freut man sich immer auf das nächste Projekt. Der Kopf ist voller Ideen, was noch kommen mag. Mit dem J55 haben wir beispielsweise einen Fahrradhelm entworfen – das ist jetzt eine Idee von uns, ein Konzept, das wir erarbeitet haben.

Nachdem wir mit einer Firma zusammengearbeitet haben, die Augmented Reality Displays entwickelte, hatten wir die Idee, diese sogenannten „Waveguide Displays“ in einem Fahrradhelm im Visier einzubauen. Der Gedanke dahinter ist, dass man die „ultimate safety“ hat – genau wie bei Hightech-Autos, die mit Head-up-Displays und digitalen Informationen arbeiten. Du weißt genau, wenn dich von hinten ein Auto treffen könnte, weil es gefilmt wird. Du bekommst ein Kollisionswarnsignal direkt vor dein Auge projiziert. Der Helm besitzt GPS, das heißt, du weißt genau, wo die Reise hingeht, weil dir Maps den Weg zeigen. Du kannst das Display natürlich mit deiner Stimme steuern, kannst sagen, dass du abbiegen willst, dann gibt der Helm ein Signal ab. Du hast vielleicht sogar Night Vision, sodass du nachts besser sehen kannst.

Durch die Software und den Drucker sind wir in der Lage, unsere Idee zu konzipieren.

Innerhalb von zwei Tagen wurde der Helm, so wie wir es zuvor am Computer visualisiert hatten, aus 12.000 Schichten aufgebaut. Aus dem Nichts von der Vision zum Prototyp – und den setzt man sich dann auf den Kopf.

So etwas zu verkaufen, ist dann natürlich eine ganz andere Sache. Das ist dann wiederum eine riesengroße Investition für einen Kunden. Aber vielleicht führt das irgendwann zu interessanten Konversationen. Mit Firmen, die man dann trifft.

 

Eine tolle Idee! Und wie es aussieht auch viel Potenzial für die Zukunft. Wie geht es nun also weiter mit Thinkable Studio?

Thinkable wird weiterwachsen, aber in einem Rahmen, der es uns ermöglicht, unser Leben genießen zu können. Es ist ein Lifestyle-Business. Es ist kein Business, wo man auf Teufel komm raus weiß, nächstes Jahr muss ich 25 % wachsen. Bei mir ist da nicht irgendein Investor im Hintergrund. Ich bin komplett autark und habe niemanden, dem ich Rechnung schulde. Und wenn wir jetzt mal ein Jahr haben, wo wir uns auf Möbeldesign stürzen können, dann würden wir vielleicht mal versuchen, Möbel auf den Markt zu bringen, die uns weiterbringen. Weiter. Weiter. Weiter. Ganz besonders mit Projekten im Rahmen von Sustainability, von Environmental, im Sinne von: die Welt retten.

 

Die Welt ist also noch zu retten?

Man sieht immer nur die negativen Nachrichten in der Welt. Aber wir sehen viel Hoffnung, denn wir arbeiten an neuen Technologien, wir arbeiten mit sehr, sehr kreativen Leuten zusammen und viele dieser Entwicklungen, die lange Zeit im Hintergrund passieren, werden eines Tages Mainstream.

Gerade sind wir in einem Projekt zum Thema Agrikulturtechnologie involviert. Das ist eine ganz tolle Sache, wo wir mit Hilfe von Lasertechnologie mit Pflanzen „reden“. Das heißt, wir werfen einen blauen Laser auf ein Pflanzenblatt und die Ingenieure und die cleveren Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, können das Signal, das die Pflanze zurückwirft, „lesen“. Zum Beispiel, welche Nährstoffe der Pflanze fehlen oder ob sie zu wenig Wasser hat. Damit wissen dann die Gewächshausbetreiber: „Wenn ich die Pflanze fünf Tage früher bewässere, habe ich 20 % mehr Wachstum.“ Das alles basiert auf der Idee eines Freundes und Firmengründers, der Optics, Bio-Science, Software und AI zusammengewürfelt hat. Unser Designteam leistet seinen Teil, dieses Produkt Wirklichkeit werden zu lassen.

Solche Projekte braucht die Welt. Und wir haben das Glück, diese positiven Entwicklungen zu begleiten. Nun sind wir hier in der Ortenau und Sie verstehen jetzt sicher: Ich habe so viel Spaß im Designen und Entwickeln von Lösungen – ich höre noch lange nicht damit auf.