Willi Hahn GmbH

„Wir investieren wenig in Stein …“

– doch umso mehr in den Menschen.

Was definiert ein Familienunternehmen? Ist es die Geschäftsführung in den Händen einer Person mit dem richtigen Nachnamen? Oder ist es eine geschäftsführende Riege, die mit einer neuen Führungskultur familiäre Werte wie Gestaltungsfreiraum, Kompromissbereitschaft und Wertschätzung etabliert? Ebendiese Geschäftsführung findet sich nämlich bei der Willi Hahn GmbH. So viel sei verraten: Die beiden angestellten Geschäftsführer haben eine klare Vorstellung von einem „Familienunternehmen“ und warum genau darin die Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft liegen.

Vor 15 Jahren lernen sich Philipp Bleich und Dr.-Ing. Dirk Eichin in Karlsruhe kennen. Studiengang Maschinenbau. Schon damals verstehen sie sich gut – da sind sie sich einig –, meistern Projektarbeiten im Team und ihren Abschluss mit Bravour. Mit dem Eintritt ins Berufsleben trennen sich die Wege. Und so scheint es beinahe ein Wink des Schicksals, dass es schließlich auch das Berufsleben ist, welches ihre Wege wieder zusammenführt.

Heute stehen die beiden Seite an Seite im Konferenzraum, Lachfältchen zeichnen ihre Gesichter, ein stilles Band einer einst geknüpften Freundschaft zwischen ihnen. Zwei Unternehmer, deren Blicke auf dasselbe Ziel gerichtet sind: auf den Erfolg der Willi Hahn GmbH.

 

Wetten, dass …?!
Willi Hahn den meisten schon einmal behilflich war?
Denn aller Anfang sind die Wiha Werkzeuge.

1939 gründet Willi Hahn einen kleinen Familienbetrieb in Wuppertal, eine Handelsgesellschaft für Schrauben und Muttern. Doch der zweite Weltkrieg bringt viel Zerstörung mit sich und zwingt auch Familie Hahn zur Flucht nach Sasbach. Seine Produktion verlagert der Unternehmer nach Schonach. Als mit dem Kriegsende die Nachfrage nach Schrauben und Muttern abnimmt, stellt sich die Frage: Was tun mit dem übrigen Sechskantmaterial? Willi Hahn schlägt einen logischen Weg ein, um sein Material zu nutzen. Er befestigt eine flache Klinge am vorderen Ende der Sechskantstange und erhält somit einen Schraubenzieher – das ist nun natürlich sehr vereinfacht dargelegt. Doch 1947 ist es der Beginn der Produktion von Schraubwerkzeugen in Schonach. Die Geburtsstunde der Wiha Werkzeuge GmbH, die heute mit 10.000 gelisteten Produkten den Profi- und Heimwerker-Alltag weltweit vereinfachen.

„Erst 1962 hat er dann die Willi Hahn GmbH in Sasbach, an seinem eigentlichen Wohnort, gegründet. Eine Fertigung von Kalt- und Warmumformteilen“, erklärt Philipp Bleich, heutiger Geschäftsführer des von ihm genannten Unternehmens, welches sich auf kundenspezifische Entwicklungen aus Metall, Stahl, Edelstahl und Aluminium spezialisiert hat. Aus dem einstigen kleinen Familienbetrieb ist eine große Unternehmensgruppe geworden. Sein Kollege Dirk Eichin fasst zusammen: „Die größte Division sind die Handwerkzeuge der Wiha Werkzeuge GmbH, die machen rund 130 Millionen Euro Umsatz. Dann kommt die zweitgrößte Division, das sind wir. Daneben gibt es noch weitere Beteiligungen und Investments der Gruppe, die in einer dritten Division zusammengefasst sind.“ In gewissem Maße profitiert die heutige Konstellation voneinander, unter anderem im Austausch von Erfahrungen, potenziellen Kunden und Lieferantenquellen. Einen Anteil Komponenten für die Wiha Werkzeuge GmbH liefert die Willi Hahn GmbH ebenfalls. Doch das halte sich in Grenzen, betont Dirk Eichin. Er muss es wissen. Denn die letzten zehn Jahre hat er als Geschäftsführer der Sparten Technik und Produktion für die Wiha Werkzeuge GmbH in Schonach gearbeitet, ehe ihn vor wenigen Monaten der Wunsch nach einer neuen Herausforderung an die Seite von Philipp Bleich in die Geschäftsführung der Willi Hahn GmbH nach Sasbach manövrierte.

„Ich bin seit 11 Jahren hier und freue mich jetzt, dass ich nicht nur einen neuen Kollegen gefunden habe, sondern sich mit Dirk Eichin nach so langer Zeit die Wege wieder kreuzten“, zeigt sich Philipp Bleich freudig gestimmt und ergänzt: „Zwei Geschäftsführer sind genau die richtige Größe für die Willi Hahn GmbH.“

Zwei Geschäftsführer – zwei Standbeine. Gewusst, dass sich das Gesamtportfolio des Unternehmens in die beiden Bereiche Handel und Eigenfertigung unterteilt?

Philipp Bleich erklärt: „Der Handel ist für uns eine Portfolioerweiterung. Unsere Kunden wollen bei uns nicht nur ein spezifisches Metallteil kaufen, sondern ein größeres Gesamtpaket. So müssen sie nicht so viele verschiedene Unterhändler managen. Das bilden wir für sie ab, indem wir selbst das Thema Handel und auch die Lagerhaltung übernehmen.“ Das bedeutet konkret, dass die gesamte Jahresmenge für einen Kunden im Vorfeld bestellt und gefertigt wird. Aus diesem Bestand wird der Kunde dann nach individuellem Bedarf mit einer bestimmten Stückzahl beliefert. „Der Kunde würde niemals alles auf einmal abnehmen wollen, sondern eben in den entsprechenden Mengen, wie er es auch selbst verbauen kann.“

Den größten Anteil der Kundschaft machen die Automobilindustrie, Nutzfahrzeuge, Landmaschinentechnik und die Medizintechnik aus. „Aber unsere Teile sieht man eigentlich gar nicht, es sind nur die Sicherheitsrelevanten im Hintergrund“, grinst Philipp Bleich. Ein fachkundiger Blick auf
die Details erkennt die Komponenten der Willi Hahn GmbH in Scharniersystemen, in den Bremsleitungen, im Airbag, im Gurtstraffsystem, …

 

Und produziert wird bei so einem großen Kundenstamm längst nicht mehr nur in Sasbach. Oder doch?

Doch. In Sasbach wird nämlich gleich im Doppelpack an zwei Standorten produziert. An einem weiteren Standort in Wuppertal hingegen befindet sich die reine Beschaffung der Handelsteile sowie ein großes Lager. Seitdem Philipp Bleich im Unternehmen ist, hat er viele Wachstumsschübe begleitet und weiß: „Wenn wir irgendwo Chancen sehen uns zu erweitern, dann ist das ein Thema, was wir natürlich enger beleuchten und schauen, ob wir davon profitieren können.“ Hierzu zählt beispielsweise auch eine Beteiligung zur Portfolioerweiterung an der Firma Net Civata mit Sitz in Istanbul in der Türkei.

Dabei betont Bleich, dass die Willi Hahn GmbH im Vergleich zu Marktbegleitern eher konservativ unterwegs sei: Der Hallenbau in Sasbach? Eine sinnvolle Entwicklung, um eine klare Trennung zwischen der Lagerung von Rohmaterialien und der Produktionsfläche zu schaffen (schließlich wurde zuvor ein Teil der Produktionsfläche als Stauraum genutzt). Der Neubau in Wuppertal? "Dieses Projekt wurde bereits vor dem Antritt von Philipp Bleich als Geschäftsführer abgeschlossen. Wir sind froh um den Neubau, denn seit 2020 haben wir ein enormes Umsatzwachstum geschafft und wollen da auch weiter dranbleiben“, so Dirk Eichin.

Das Interessante hinter dieser Aussage: Noch vor einem Jahr war die Willi Hahn GmbH produktionstechnisch ausgelastet. Freie Kapazitäten in der Eigenfertigung? Fehlanzeige. Was ist passiert?

„Wir haben das ganze Ding aufgerollt und geschaut, was möglich ist“, lächelt Philipp Bleich zufrieden. Den Bestand optimal ausnutzen, das sei die Devise. Und während das Bild des Unternehmens nach außen hin unverändert wirkt, findet hinter den Türen die große Veränderung statt. „Wir investieren wenig in Stein und dafür viel in die Maschinen.“ Dabei hat unter anderem auch das Thema Nachhaltigkeit und die Umsetzung umweltfreundlicherer Prozesse jüngst für einige Investitionen gesorgt. „Seit dem ersten Juli 2023 weisen wir den Product Carbon Footprint nach. Das heißt, mit jedem hergestellten Produkt geht eine Rechnung einher, die den CO2-Ausstoß festhält. Natürlich ändert sich in diesem Zuge einiges massiv, zum Beispiel, dass wir viele neue Maschinen angeschafft haben und das gesamte Werk an ein Energie-Monitoring-System angeschlossen ist. So sehen wir ganz genau, wo wir Energie verbrauchen und wo eventuell Energiefresser sind, die wir dann optimieren können“, führt Philipp Bleich an und sein Kollege Dirk Eichin ergänzt: „Die Regierung hat ja jetzt auch den Kurs festgelegt in Richtung E-Mobility. Da wird es also sehr viel Marktbewegung geben, für die wir nun aufgestellt sind.“ Ihrer Kernkompetenz, der Kaltumformung, bleibt die Willi Hahn GmbH natürlich treu – der neue Maschinenpark und das starke Energiebewusstsein verschaffen ihnen jedoch eine solide Marktstellung für die immer komplexer werdenden Bauteile und gestiegenen Anforderungen.

 

 

Gestiegene Anforderungen – auch von Seiten der Fachkräfte. Was haben die beiden Geschäftsführer zum Thema Arbeitsplatzgestaltung zu sagen?

Dirk Eichin hat sich erst vor wenigen Monaten mit seinem Wechsel bewusst dafür entschieden, als Geschäftsführer der Willi Hahn GmbH einen größeren Arbeitsweg auf sich zu nehmen. Warum er diese Mühe nicht scheut? „Weil die Arbeitsplatzattraktivität uns beiden enorm wichtig ist. Wir wollen hier Freude im Unternehmen haben und Begeisterung. Mit sozialen Events die Leute zusammenbringen. Denn letzten Endes geht es unseren Mitarbeitenden doch wie uns und dann kommen sie gerne. Andernfalls kriegen wir morgen auch keine Leute mehr.“

Die neue Führungsriege der Willi Hahn GmbH verfolgt ein klares Konzept – hierzu etabliert sie zunächst eine einheitliche Führungskultur im neubesetzten Team. „Die Wertediskussion in Deutschland ist uns enorm wichtig. Wir legen großen Wert darauf, dass wir durch gute Führung, ein kollegiales Miteinander, Wertschätzung und Respekt gegenüber den einzelnen Menschen eben einfach den Menschen selbst sehen und nicht nur die Euro oder die Arbeitsergebnisse“, erklärt Dirk Eichin den Weg, welchen sie mit großem Eifer eingeschlagen haben. Er selbst ist mehrmals in der Woche in jedem Werk, zeigt Nähe und ein offenes Ohr für die Mitarbeitenden. „So bekommt man selbst auch ein ganz anderes Verständnis für
die Arbeit. ‚Wenn ich an diesem Hebelchen drehe, was passiert am anderen Hebel?‘ Dieses Verständnis macht es aus, dass man auch Verbesserungen schafft.“ Verbesserungen, die mit einer stetig wachsenden Zahl vom Team selbst initiiert werden – sehr zur Freude der Geschäftsführung, die sich damit in ihrem Tun bestätigt sieht. „Unsere Mitarbeitenden werden gehört, erfahren, dass sie wahrgenommen und ernst genommen werden. Sie bekommen ihren eigenen Gestaltungsfreiraum. Das ist das, was sie nachher auch motiviert, weitere Vorschläge zu machen. In wie vielen Firmen ist es der Fall, dass nach einem Vorschlag erst mal 20 Wochen nichts passiert und dann hört man vielleicht, wenn man Glück hat, mal irgendwas davon … Diese Mitarbeiter machen nie wieder einen Vorschlag.“ Ein Nachdruck in der Stimme, der keine Zweifel offenlässt: Hier wird mit Herzblut an einem optimalen Arbeitsumfeld gearbeitet.

 

So weit, so gut. Wenn da nicht der Wandel der Arbeitswelt, angetrieben von einer neuen Generation, im Raum stünde: 4-Tage-Woche, Homeoffice, Work-Life-Balance, … Was bedeutet das für die Zukunft eines produzierenden Gewerbes?

Als solides Unternehmen wird die Willi Hahn dem für sie wichtigsten Aspekt gerecht: ein sicherer Arbeitsplatz und damit ein sicheres Einkommen für aktuell 220 Mitarbeitende. 220 individuelle Persönlichkeiten, deren Wünschen die beiden Geschäftsführer versuchen, gerecht zu werden. Eine
Mammutaufgabe, die aus guten Kompromissen bestehen wird, sieht es Dirk Eichin realistisch: „Eine der großen Aufgaben für Unternehmer wird es letzten Endes sein, aus diesen vielen unterschiedlichen Interessen die Mehrheit zu bestimmen. Und diejenigen, die man dann unzufrieden macht, muss man anderweitig wieder auffangen – das ist eine Mammutaufgabe und schier unmöglich. Irgendjemand wird am Ende des Tages zufrieden sein und irgendjemand nicht.“

Unter diesem Aspekt der Mehrheitsfindung wäre theoretisch auch eine 4-Tage-Woche im produzierenden Gewerbe möglich – jedoch nicht in der Form, wie es sich manche Arbeitnehmer vorstellen. Philipp Bleich erklärt seinen Gedankengang: „Eine 4-Tage-Woche zu fahren ist möglich, das
ist nicht das Problem. Aber es bedeutet, ein komplett anderes Schichtsystem in der Produktion zu etablieren. Die Leute stellen bei einer 4-Tage-Woche jedoch den Anspruch, von Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr zu arbeiten – und das geht nicht.“ Er überlegt kurz und fügt dann lächelnd hinzu: „Naja, eigentlich gibt es die Möglichkeit heute schon. Schließlich hat ja jeder die freie Wahl, Teilzeit zu arbeiten.“ Ein Gedankengang, der wiederum Dirk Eichins Aussage unterstützt: „Und da wären wir wieder bei der Hauptherausforderung: die unterschiedlichen Interessen. Der eine will zum Beispiel 4 Tage arbeiten, der andere möchte nur Wochenends arbeiten, der Nächste möchte die 3-Schicht haben, der
Vierte möchte Tagschicht haben. Doch wir müssen 5 oder 7 Tage einen 24 Stunden Schichtbetrieb füllen. Da kann man es nie allen recht machen.“

Die Überlegungen, die bis ins Detail reichen, verdeutlichen: Die beiden Geschäftsführer sind sich ihrer Verantwortung bewusst und nehmen die Herausforderungen der Zukunft ernst. Den großen Veränderungen und Entscheidungen, die noch auf sie zukommen, blicken sie optimistisch entgegen: „Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächsten Jahre. Das ist erstmal der entscheidende Punkt. Ob ich in der Zukunft gewisse Entscheidungen anders treffen werde? Mit Sicherheit, Gott sei Dank, dann bin ich schon im Schwabenalter. Ab 40 wird der Schwabe weiser – und das sag ich, obwohl wir ja Badenser sind.“ Ein herzliches Lachen erfüllt die beiden. Es liegt die Gewissheit im Raum: Diese Geschäftsführung wird heute wie morgen versuchen, das Unmögliche möglich zu machen und Kompromisse zu finden – genau so, wie es sich in einer guten Familie gehört.

Apropos Familie – ist die Willi Hahn GmbH, geführt von „Externen“, denn nun noch ein Familienunternehmen?

„Die Frage ist ja eher, was ist ein familiäres Unternehmen? Was bedeutet es, was macht es aus? Früher war das so, da war der Mann vorne und was er gesagt hat, wurde gemacht.“ – „Der Patriarch, der halt einfach keine Freiheit und Gestaltungsräume für die Mitarbeiter zulässt. Diese Familienunternehmen gibt’s heute auch noch.“ – „Genau. Dabei ist Familie heute doch vielmehr ein täglicher Kompromiss und es sollte einem gut darin gehen. Und genau das versuchen wir auch im Unternehmen hier darzustellen. So, wie es Dirk vorhin gesagt hat: Wir versuchen, alle einzubinden, den Kompromiss zu finden, dass eine Entscheidung getroffen wird, die dann alle mittragen können und dafür brauche ich viele Leute, die die Verantwortung übernehmen. Dann partizipieren aber auch alle von den Entscheidungen und von dem Ergebnis, was da rauskommt. Und das ist dann für uns ein gutes Familienunternehmen. Weil es auf jeden Einzelnen ankommt, auf die Familie.“